In loser Reihenfolge wollen wir Vertreter von BAGSV-Verbänden vorstellen. Heute: Marcus Pohl (1. Vorsitzender) und Basty Duellmann (2. Vorsitzender) von der Interessengemeinschaft der selbständigen Dienstleisterinnen und Dienstleister in der Veranstaltungswirtschaft e.V. (isdv).
- Seit wann gibt es ihn und worauf seid ihr besonders stolz?
Unser Verband wurde am 10.02.2015 in das Vereinsregister eingetragen. Inzwischen haben wir (Stand Februar 2017) 684 Mitglieder. Besonders stolz sind wir darauf, dass es endlich eine Interessenvertretung der Selbstständigen in unserer Branche gibt, die funktioniert, die was tut und die politisch aktiv ist.
- Wie hoch ist der Anteil von Frauen unter Euren Mitgliedern?
Das sind gerade mal 4 Prozent. Von diesen sind aber 2 im Vorstand, der somit zu einem Drittel aus Frauen besteht.
- Wie viel Prozent Eurer Mitglieder sind selbstständig oder gibt es auch Angestellte?
94 Prozent sind Selbständige, davon ca. 80 Prozent selbständige Einzelunternehmer.
Ca. 6 Prozent sind Angestellte. Die meisten davon sind wiederum Auszubildende, die sich nach der Ausbildung möglicherweise selbstständig machen wollen. Der andere Teil nutzt uns wie einen Betriebsrat und informiert sich über die Rechte als Angestellter und wie man gegen Missstände vorgehen kann.
- Wie hoch schätzt ihr den Anteil der Teilzeitselbstständigen?
Das sind ca 0,3 Prozent.
- Gibt es bei Euren selbstständigen Mitgliedern Besonderheiten in Hinblick auf die soziale Absicherung, z.B. Pflichtmitgliedschaft in der DRV, in der KSK oder berufsständischen Versorgungswerken?
Es gibt einige Mitglieder, die in der KSK organisiert sind und das System natürlich gut finden. Vor allem, je mehr sie selbst auf das Rentenalter zugehen. Es gibt auch einige, die über die Familienversicherung der Ehefrau mit abgesichert sind. Die überwältigende Mehrheit ist aber privat abgesichert.
- Was ist Eure Position zum Thema Scheinselbstständigkeit? Ist das für Eure Mitglieder überhaupt ein Thema?
Das ist eines unserer Hauptthemen. Das Verfahren zur „Scheinselbstständigkeitsprüfung“ wirkt sich bei uns genauso desaströs aus wie in der IT und anderen Branchen. Wir stehen quasi mit dem Rücken an der Wand und weichen den Einschüssen aus. Unsere Branche basiert auf der freien Mitarbeit und diese ist aus verschiedenen Gründen auch die einzig sinnvolle, wenn man in Themen wie Arbeitszeiten, Work-Life-Balance oder Motivation denkt. Unsere Branche ist emotionsgeladen und -gesteuert. Man kann nur in einigen wenigen Positionen „nine-to-five“ arbeiten.
- Wie steht ihr zum Thema Altersvorsorge- bzw. Rentenversicherungspflicht?
Das ist ein wichtiger Bestandteil der Selbstständigkeit. Zu schnell passiert irgendetwas und man kann seinen Job nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausführen. Wir sagen: jeder muss abgesichert sein, aber jeder sollte selbst entscheiden können wie. Die aktuelle politische Entwicklung geht in Richtung Versicherungspflicht in der DRV. Das sehen wir nur unter bestimmten Bedingungen als akzeptabel an.
- Zu diesen Bedingungen zählt, dass im Falle einer solidargemeinschaftlichen Versicherungspflicht alle – also auch Beamte und Politiker – einzahlen müssen – ähnlich dem österreichischen Modell.
- Eine weitere Bedingung ist, dass nur die erste der drei Säulen der Altersvorsorge (gesetzliche Rente) verpflichtend ist. Die Säulen zwei und drei (betriebliche und private Altersvorsorge) muss der Selbständige nach eigenem Ermessen und unter freier Wahl des Angebotes leisten dürfen.
- Dritte Bedingung ist die Einkommensabhängigkeit der Beiträge. Durch das stets schwankende Einkommen eines Selbständigen – in Abhängigkeit von seiner Auftragslage – müssen sich auch die Beiträge daran orientieren und entsprechend laufend angepasst werden.
- Sind die hohen Mindestbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für Eure Mitglieder ein wichtiges Thema?
Die Kosten sind überproportional hoch und belastend. Das Thema steht nicht im Vordergrund, da unsere Mitglieder sich mit den Beiträgen abgefunden haben und sich nicht beschweren. Eine einkommensabängige Verbeitragung ist aber notwendig, um den Unternehmern die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln und eine ausreichende Altersvorsorge sicher zu stellen.
- Gibt es Bürokratie oder Zwangsabgaben, über die Eure Mitglieder sich besonders ärgern?
Oh, ja, sehr viele. Angefangen bei einer Zwangsmitgliedschaft bei der IHK, die für unsere Mitglieder nichts leistet, bis hin zu A1-Bescheiden zur sozialen Absicherung, die für jeden einzelnen Auslandsaufenthalt benötigt werden. Für Selbstständige, deren Arbeit grundsätzlich mit Reisen verbunden ist, ist die Kommunikation mit Behörden außerordentlich belastend, da die Behörden keine oder kaum andere Möglichkeiten bereitstellen, als den persönlichen Kontakt. E-Government ist in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen, digitales Unterzeichnen von amtlichen Dokumenten nicht zulässig. Das führt zu vielerlei Problemen in unserer sonst so mobilen Welt.
- Welche Unterstützung bietet ihr Gründern, die sich in Eurer Branche selbstständig machen wollen?
Wir sind zum Beispiel in Berufsschulen unterwegs und geben dort Seminare über Selbstständigkeit. In unserer Branche machen sich sehr viele junge Leute direkt nach der Ausbildung selbstständig, ganz ohne unternehmerisches Wissen. Diese Lücke schließen wir. Für Mitglieder gibt es ein Online-Forum, in dem viele Themen der Selbstständigkeit diskutiert werden und in welchem Antworten, praktische Tipps und Erfahrungsberichte zu finden sind: „Wie gehe ich mit meiner Hausbank um?“, „Wie reagiere ich auf das Finanzamt?“, „Wie strukturiere ich mich?“ und vieles mehr.
- Wie seid ihr organisiert und wer sind Eure wichtigsten Kooperationspartner?
Wir sind ein 6-köpfiger Vorstand, der die eigentliche Arbeit im Verband erledigt. Basty und ich sind in der Politik aktiv und netzwerken auch weit über unsere Branche hinaus. Die wichtigsten Kooperationspartner für uns sind der Wirtschaftsrat BaWü und Deutschland, der VGSD und die LiveKomm.
- Für was schätzen Euch Eure Mitglieder am meisten?
Für die Tatsache, dass wir etwas in ihrem Sinne bewegen. Selbstständige, gerade diejenigen ohne Angestellte, sind passionierte Einzelkämpfer. Viele Einzelkämpfer ergeben eine schlagkräftige Gemeinschaft. Und die brauchen wir, um noch mehr bewegen zu können. Der Verband ist nach zwei Jahren jetzt etabliert. Die größten Tabuthemen liegen offen auf allen Tischen und werden in der Branche diskutiert. Genau das ist der Beginn von Fortschritt.
Ausserdem sind wir in der Lage, kompetent Auskunft zu allen möglichen Themen der Selbstständigkeit zu geben. Sei es „welches Amt ist zuständig“, „wie gehe ich mit folgender Situation um“ oder rechtliche Fragen zum Thema Scheinselbstständigkeit. Dabei hilft uns die dem Verband angeschlossene Arbeitsrechts-Anwältin.
- Was muss man tun, um Mitglied zu werden und wie hoch ist der Beitrag?
Man geht auf unsere Homepage www.isdv.net, klickt auf den Reiter „Mitglied werden“ und füllt das Online-Formular aus. Mit 50 Euro pro Jahr ist man als ordentliches Mitglied dabei. Fördermitglieder (juristische Personen) können ihren Beitrag frei wählen, natürlich dann oberhalb der 50 Euro.
- Gibt es noch andere politische Ziele, die für Eure Mitglieder gerade besonders wichtig sind?
Für die Kreativbranche wird es höchste Zeit, dass sowohl sie sich selbst, als auch die Politik und die Öffentlichkeit sie als Industrie wahrnehmen. Unsere Branche zählt als Subkultur – obwohl sie nach einer Studie der Europäischen Union (2015) die drittgrößte Branche Europas darstellt, noch vor den Autobauern und der Chemie.
Die Anerkennung, Beachtung und Berücksichtigung findet allerdings nicht statt. Niemand außerhalb der Branche weiss, welche Art Jobs es hier gibt, was für Menschen darin arbeiten, wie ihre Struktur ist, welche Arbeitsverhältnisse genau zum Einsatz kommen.
Selbstständigkeit muss gerade im Hinblick auf Arbeit 4.0 als eine normale Form der Erwerbstätigkeit anerkannt werden. Im Sozialgesetzbuch geht es nur um abhängige Beschäftigung. Der Selbstständige wird dort kaum beachtet. Die Arbeitsmodelle der Zukunft werden jedoch den Selbstständigen viel mehr brauchen als den Angestellten. Selbstständigkeit muss im SGB als positive Arbeitsform neben der Anstellung berücksichtigt werden.