Im Februar 2017 wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) gegründet, um die Interessen von Solo- und Kleinstunternehmer/innen zu bündeln und kraftvoll zu vertreten. Sieben Jahre später ist sie deren Spitzenverband und geschätzter Gesprächspartner der Politik. Aber noch lange nicht am Ziel.
Happy Birthday, liebe BAGSV. Am 13. Februar 2017 hast du das Licht der Welt erblickt. 25 Vertreter/innen von 20 Verbänden versammelten sich auf Initiative von Victoria Ringleb (AGD) und Andreas Lutz (VGSD) in Berlin und hoben das gemeinsame Baby aus der Taufe. Die Vebandsvertreter/innen kannten sich von Treffen im Reichstag, von Workshops des Bundesarbeitsministeriums und vielen anderen Veranstaltungen, bei denen es um die Interessen von Selbstständigen ging.
Unbeabsichtigte Geburtshilfe
Mit ihrer Einladung zu einem „Kamingespräch“ leistete die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles unbeabsichtigt Geburtshilfe: Das Treffen mit ihr war der Auslöser, die Idee eines Verbändebündnisses umzusetzen, mit der Andreas schon einige Monate schwanger gegangen war. Anstatt jeder für sich beim Kamingespräch zu erscheinen, trafen sich die Teilnehmer zu einer Vorbesprechung in einem Café. Beim anschließenden Termin traten sie gegenüber Andrea Nahles viel geschlossener und zielgerichteter auf, als das bei früheren politischen Terminen der Fall war, fokussiert auf die wichtigsten gemeinsamen Anliegen.
Frau Nahles hatte sich klare Ansprechpartner gewünscht, und die bekam sie auch. Vorgestellt hatte sie sich dabei allerdings, dass wir uns unter der Führung der Gewerkschaft Verdi organisieren. Dass wir eine eigene unabhängige Stimme und einen Zusammenschluss von gut 30 Verbänden mit mehr als 100.000 Mitgliedern bilden würden, war von ihr nicht geplant.
Selbst für uns und unsere Anliegen sprechen
Unser Ziel war ganz klar: dass man an uns nicht vorbeikommt, dass wir als Selbstständige selbst für uns und unsere Interessen sprechen können, dass künftig nicht mehr nur Gewerkschaften und Arbeitgeber am Tisch sitzen, wenn über uns betreffende Themen verhandelt wird.
Es gibt zahlreiche Anliegen, die uns branchenübergreifend beschäftigen: Die Notwendigkeit von mehr Rechtssicherheit, die damals bereits geplante Altersvorsorgepflicht, die unfaire Art und Weise wie Kranken-, Pflege- und andere Sozialversicherungsbeiträge für Selbstständige und freiwillig Versicherte berechnet werden, die Bürokratie in ihren mannigfaltigen Erscheinungsformen sowie der starke Rückgang an Gründungen, der aus einer Selbstständigen-feindlichen Politik resultiert. Eine wichtige Klammer ist auch auch der Wunsch, dass faktenbasiert über uns gesprochen und unser Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft respektiert und gewürdigt wird.
Zusammenarbeit war Voraussetzung für wichtige Erfolge der letzten Jahre
Kaum ein Erfolg der letzten Jahre wäre ohne die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der BAGSV vorstellbar gewesen: Dass die Altersvorsorgepflicht nun wohl deutlich selbstständigen-freundlicher ausgestaltet wird als ursprünglich geplant, dass die Mindestbeiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung um 56 Prozent gesenkt wurden, dass der Abmahnmissbrauch stark eingeschränkt wurde, in der Corona-Krise nach der unsäglichen Soforthilfe die Neustarthilfe entwickelt wurde, dass das ifo Institut heute eigene Geschäftsklima-Zahlen für Solo- und Kleinstunternehmen ausweist.
Zugleich bleibt noch sehr, sehr viel zu tun: Die Sozialversicherungsbeiträge und -leistungen diskriminieren Selbstständige, es besteht keine Rechtssicherheit, die Bürokratie in Deutschland ist erdrückend. Deshalb wollen wir als BAGSV auf der Bekanntheit und dem guten Ruf, den wir uns mit unserer jahrelangen Arbeit erworben haben, systematisch aufbauen. Wir stellen unsere bisherigen Strukturen auf den Prüfstand und sind dabei, einen Plan zu entwickeln, der unser Netzwerk noch wirksamer machen soll. Dazu gehört, dass wir noch systematischer und arbeitsteiliger vorgehen und die technischen Möglichkeiten noch effektiver nutzen, um die Wirksamkeit unserer Arbeit auf ein neues Level zu heben.
Zusammenschluss von Vereinen, aber keine Vereinsmeierei
Marcus Pohl, heute zusammen mit Andreas Lutz und Jan-Peter Wahlmann Sprecher der BAGSV, erklärt die Zusammenarbeit so: „Wir sind ein Zusammenschluss von Vereinen, aber wir halten uns nicht mit Vereinsmeierei auf, sondern bilden ein informelles Netzwerk. Einzelne Verbände gehen jeweils voran, die anderen unterstützen sie. Wir müssen uns dabei nicht erst in allen Punkten einig sein und bürokratische interne Abstimmungsprozesse durchlaufen, nicht jeder Verband muss jedes Mal mitmachen. Es steht trotzdem immer eine breite Mehrheit hinter unseren Positionspapieren und Stellungnahmen, die wir natürlich mit den Interessen und roten Linien der anderen im Kopf formulieren.“
Nach einer Zwangspause während der Corona-Krise treffen sich die Verbandsvertreter inzwischen wieder zwei bis drei Mal jährlich persönlich in Berlin, ergänzt von einer Vielzahl von Videokonferenzen. Diesen Monat steht zum Beispiel eine Videokonferenz mit drei für uns wichtigen Bundestags-Abgeordnete von Bündnis 90/Grüne an, später folgt ein Treffen in Berlin, bei dem unter anderem zwei Vertreter/innen der Deutschen Rentenversicherung zu Gast sein werden.
Die Mitgliedsverbände kooperieren bei Umfragen, Petitionen und anderen Kampagnen eng und sind ständig im Austausch, informieren sich laufend über wichtige Entwicklungen. Inzwischen teilen wir auch unsere Best-Practice-Erfahrungen bei der Verbandsführung miteinander.
Wir ärgern uns über dieselben Dinge
Allen Verbänden ist gemeinsam, dass ihre Mitglieder gerne und freiwillig selbstständig sind, ihre Arbeit lieben und für ihren Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft mehr Respekt erwarten. Wir ärgern uns über die Gleichsetzung von Solo-Selbstständigen mit Scheinselbstständigen, Plattformarbeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen sowie über die Art und Weise, wie nicht nur, aber ganz besonders während der Corona-Krise mit Selbstständigen umgegangen wurde. Dieses Selbstständigen-feindliche Umfeld schweißt uns zusammen – und auch wenn unsere jeweiligen Mitglieder in unterschiedlichem Maße von zum Beispiel unfairen GKV-Beiträgen betroffen sind, so haben wir und unsere Mitglieder ein hohes Maß an Solidarität auch für die Anliegen der anderen. Solidarität und Vertrauen, die wir durch unsere intensive Zusammenarbeit schaffen, sind ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Bunt, anders und vielfältig
Die Verbände, die in der BAGSV zusammenkommen, sind so unterschiedlich und vielfältig wie die Selbstständigen, die sie vertreten: Bei uns organisieren sich Designerinnen und Fotografen, Handwerkerinnen und Veranstaltungstechniker, IT-Expertinnen ebenso wie Psychologen, Übersetzerinnen und Dolmetscher, von Achtsamkeits- über Musik- und Nachhilfe- bis zu Deutschlehrer/innen, Werbetexter und Lektorinnen, Unternehmensberaterinnen und Interim-Manager, Bilanzbuchhalterinnen und Controller, Fernsehkamera- ebenso wie Stuntleute, Filmcutterinnen und Gästeführer, Rentenberaterinnen und Sozialarbeiter, Tonkünstler und Illustratorinnen.
BAGSV steht für „bunt, anders, gemeinschaftlich, scharfsinnig, vielfältig“ erklärte Kenan Häberle vom Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller die Abkürzung BAGSV.
Es geht um faire und gerechte Lösungen, keine Partikularinteressen
Dabei sind wir aber keine Lobbygruppe, die Partikularinteressen durchsetzen möchte. Es geht uns um faire und gerechte Lösungen. Das ist auch der Grund, weshalb sich Menschen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, aber auch Vertreter/innen anderer Verbände gerne zu Gesprächsrunden mit uns treffen und in Kontakt bleiben. Wir fordern nicht nur, wir bringen uns ein – mit konkreten Fakten, lebensnahen Beispielen und durchdachten Lösungsansätzen.
Zugleich sind wir selbstbewusst und mobilisierungsstark. Wir bestehen auf einer faktenbasierten Diskussion und einem realistischen Bild von Selbstständigkeit. Die vielen positiven Rückmeldungen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zeigen: Die BAGSV hat eine Lücke gefüllt – indem sie eine Plattform für den Austausch untereinander und mit den Entscheidungsträgern geschaffen hat. Sie ist unverzichtbar für die Interessenvertretung von Selbstständigen und hat noch viel Arbeit vor sich.
HAPPY BIRTHDAY, liebe BAGSV! ❤️ Ich bin sehr stolz und froh über das Erreichte und freue mich auf weitere 70 Jahre. 🥰
Wann wird sich dafür eingesetzt, dass das Statusfeststellungsverfahren endlich sicherer und einfacher wird und von einer unabhängigen Behörde beurteilt wird?Immer mehr freie Mitarbeiter werden fehlbeurteilt und als Scheinselbstständige eingestuft und haben große Angst und Probleme, weiter freiberuflich zu arbeiten. Das momentane Feststellungsverfahren dient nur dazu,Rententöpfe zu füllen und Firmen durch horrende Nachzahlungen wegen angeblicher Scheinselbstständigkeit in den Ruin zu treiben.
Hallo Katharina,
für die BAGSV und die Mitgliedsverbände ist Rechtssicherheit das wichtigste Anliegen. Es ist das erste Thema, das wir bei jedem Gespräch mit Politikern und Beamten ansprechen.
Unter https://www.vgsd.de/beitrag-permalink/67186 findest du unser Positionspapier zu diesem Thema, das wir vor kurzem bei einem von uns veranstalteten parlamentarischen Frühstück in Berlin vorgestellt haben. Unter https://www.vgsd.de/beitrag-permalink/67749 findest du das Positionspapier der vbw zum gleichen Thema. Aktuell arbeiten wir an einem weiteren Positionspapier mit. Dahinter steht unser Versuch, ein noch breiteres Bündnis für Rechtssicherheit aufzubauen.
Unter https://www.vgsd.de/beitrag-permalink/67186 findest du Infos über die von uns dieses Jahr durchgeführte Expertenbefragung zum Thema und unsere Onlinekonferenz.
Alle diese und viele weitere Beiträge zum Thema unter: https://www.vgsd.de/themen/scheinselbststaendigkeit/beitraege
Bitte engagiere dich mit uns für eine Änderung, z.B. indem du auch an die zuständigen Fachpolitiker schreibst.